Chantal in der Dominikanischen Republik
Ein lebensfrohes Land
Ich stellte schnell fest, dass die Dominikanische Republik ein gastfreundliches, offenes und lebensfrohes Land ist. Ein Land, wo der Familienzusammenhalt groß geschrieben wird und Musik und Partys eine wichtige Rolle spielen. Ich lebe in der Stadt Moca, die rund 95.000 Einwohner umfasst. Moca liegt im Norden und ist für die historischen Sehenswürdigkeiten bekannt. Zum Beispiel wurde hier der Diktator, Ulises Heureaux, erschossen. Des Weiteren steht die schönste Kirche der Dominikanischen Republik in Moca.
Es war anfangs gewöhnungsbedürftig in einer für mich kleinen Stadt zu leben, denn was sind 95.000 Einwohner im Vergleich zu 1.000.000 Menschen, die in Köln leben. Dennoch habe ich Moca sehr liebgewonnen und freue mich hier zu wohnen, denn in kleineren Städten kennt sich jeder und man kriegt hier sehr viel Liebe zu spüren. Zunächst waren mir die Verkehrsmittel neu, wie zum Beispiel das Motokoncho, was ein Motorradtaxi ist und am häufigsten in kleinen Städten und Dörfern zu finden ist. Das Essen, wie zum Beispiel Plantanochips (Chips aus Bananen), die mit Ketchup und Salz serviert werden und vieles andere. Aber auch an das habe ich mich nach einer kurzen Zeit gewöhnt und Gefallen dran gefunden.
Armut und Reichtum nah beieinander
Des Weiteren war mir am Anfang die Sprache neu. Ich konnte vor meinem Auslandsjahr kein Wort Spanisch, was jetzt komplett anders ist. Ich verstehe fast alles und das Sprechen läuft wie von allein. Ein Kulturschock war es für mich zu sehen, unter welchen armen Verhältnissen manche Menschen leben müssen, die ich als menschenunwürdig bezeichnen würde, zum Beispiel in Blechhütten zu wohnen, die aus Müll bestehen und Plumstoiletten benutzen. Und zugleich das absolute Luxusleben, dass Menschen alles haben - und diese Unterschiede sieht man auf der gleichen Straße, was mir persönlich sehr zu schaffen macht.
Besondere Freude bereiten mir die Familienfeste, da ich eine sehr große Familie besitze, was in Lateinamerika normal ist. Auf denen wir alle zusammen viel Spaß haben, tanzen und essen. Durch meine Tanten habe ich die traditionellen Tänze gelernt, die aus Merengue, Bachata und Salsa bestehen. Die Zeit mit meiner Familie genieße ich am meisten.
Zum anderen genieße ich die Schulzeit sehr: ich besitze viele Freunde in der Schule und habe das Glück sympathische Lehrer zu haben, die den Unterrichtstoff locker und mit Begeisterung uns lehren. Lehrer sind hier Freunde und keine Vorgesetzten, woran ich mich auch erstmal gewöhnen musste.
Schwierige Momente gibt es natürlich auch, was selbstverständlich ist. Nebenbei besuche ich noch eine Englischschule zwei Mal wöchentlich, um mein Englisch zu verbessern, als ein kleines Hobby. Da habe ich auch eine Familie sehr liebgewonnen, die die Schule führen. Sehr humorvolle, liebevolle und liebenswürdigen Personen, zu denen ich eine besondere Beziehung habe und pflege.
Herausforderungen meistern
Am schwierigsten war der Anfang des Auslandsjahres, wo man die Sprache nicht verstanden hat, man überfordert war in der Schule und niemanden kannte.
Ebenfalls schwierige Situationen sind, wenn Familienmitglieder in Deutschland Geburtstag haben oder an Weihnachten und Silvester, da verspürt man sehr Heimweh. Aber zum Glück vergeht die Heimweh-Phase schnell. In den Monaten hier habe ich viele positive Erfahrungen gesammelt wie zum Beispiel der erste Strandbesuch, viele neue Menschen kennengelernt – Dominikaner, aber auch die AFS Austauschschüler aus verschiedenen Ländern. Dass AFS Menschen verbindet, kann ich nur bestätigen.
Zudem war ich hier mit einer Organisation in ärmeren Dörfern und wir haben Geschenke an arme Kinder verteilt, haben mit ihnen gesungen und getanzt, was persönlich mein Highlight war: das Strahlen in den Augen zu sehen und das Lächeln bei den Kindern. Ein Erfolgserlebnis war es, den Pico Duarte zu erklimmen, der der höchste Berg der Karibik ist mit 3100 Metern. Nachts durch den Dschungel zu wandern und die Kulisse, die man sah, ich werde diese Erinnerungen für immer in meinen Kopf behalten. Es war der härteste Trip bis jetzt in meinen Leben und dennoch einer der schönsten.
Zu den negativen Ereignissen zähle ich meine erste Familie, die mich nicht gut behandelt hat und die ich nach drei Monaten gewechselt habe. Danach war ich in einer guten Familie und glücklich dort. Meine alte Familie war reich: wir hatten ein großes Haus und drei Autos, jedoch hat die Liebe in dem Haus gefehlt. Meine jetzige Familie ist ärmer, wir haben eine Wohnung und gar keine Fahrzeuge, jedoch ist in diesem Haus viel Liebe, was für mein Empfinden deutlich besser ist. Ich habe gelernt, dass materielle Dinge nicht allzu wichtig sind. Ich habe die Familie gewechselt, da es viele Unstimmigkeiten gab. Sie hatten wenig Zeit für mich und zeigten kein Interesse an mir.
In meinem Auslandsjahr hatte ich insgesamt sieben Gastfamilien was anfangs einem sehr negativ vorkommt. Es war schwer und auch nicht schön, dass gebe ich zu, aber mittlerweile sehe ich es positiv. In jeder Familie habe ich Erfahrungen gesammelt und vieles mitgenommen, nicht immer positiv, aber auch aus negativen Erfahrungen lernt man dazu -sogar mehr als von den positiven.
Eine weitere negative Erfahrung war die Hurrikan-Zeit. Ich habe den Hurrikan Irma miterlebt, der die höchste Stufe hatte, und ich war im roten Gebiet. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt sehr Angst. Danach die Verwüstung im Lande zu sehen war schrecklich.
Als spezielle Erfahrung würde ich den häuslichen Zustand bezeichnen. Ich hatte am Tag nur fünf Stunden Wasser, der Wasserzugang ist also begrenzt. Was in Deutschland Standard ist, ist hier Luxus. Warmes Wasser hatten wir nicht und Stromausfälle waren auch nicht selten. Da lernt man erst die normalsten Dinge wertzuschätzen.
Woran ich mich immer noch nicht gewöhnt habe, ist die Aufmerksamkeit meiner Person. Egal wohin ich gehe, wird mir hinterher gepfiffen und Kommentare abgelassen von Jungs und Männern. Mittlerweile schenke ich dem nicht mehr so viel Aufmerksamkeit, aber es ist ziemlich komisch.
Sport und Partys
Die Jugendlichen in meinem Alter beschäftigen sich sehr mit Social Media. Gerne geht man aber auch Eis oder Pizza essen, dennoch wird die meiste Zeit zuhause verbracht. Außer man interessiert sich für Sport: hier gibt es viele Clubs und Möglichkeiten, wie zum Beispiel Basketball, Volleyball, Tanzen usw. Ich besuche einen Basketballclub jeden Samstag und habe großen Gefallen dran gefunden, auch so konnte ich viele neue Freunde finden. Das Nachtleben jedoch ist sehr aufregend: viele Jugendliche gehen auf Partys, tanzen etc. - meistens Hauspartys, denn die Clubs sind hier ab 18.
An alle, die ein Auslandsjahr machen wollen oder kurz davor sind weg zu fliegen, würde ich auf den Weg geben, nicht viele Erwartungen zu haben. So kann man nämlich nicht allzu enttäuscht werden. Das Auslandsjahr zu genießen, für alles offen sein, dem Land das Herz öffnen, auch wenn das nicht so leicht ist, und sein Bestes zu geben.
In der zweiten Hälfte meines Auslandsjahres konnte ich mich schon gut auf Spanisch unterhalten und somit viel mehr Bekanntschaften knüpfen und Freunde in der Schule finden. Das Leben war so einfacher und schöner. Da habe ich auch angefangen die Dominikanische Republik als meine Heimat zu sehen. Ich bin durch die komplette DR gereist und habe jede Ecke des Landes entdeckt und mich verliebt. Es war nie langweilig, man hat jeden Tag was Neues gelernt, aber nach der ersten Hälfte wird es langsam zu einem Alltag, den man kennt.
Besondere Erlebnisse waren für mich, dass ich 27 Wasserfälle runtergesprungen bin und mit Walen zusammen geschwommen bin etc. Ich habe eine bunte Vielfalt an Menschen kennen gelernt, sowohl ganz arme als auch ganz reiche, und so gelernt, alles zu schätzen, was ich habe. Meine Sichtweise auf viele Dinge hat sich komplett geändert und meine Augen geöffnet, ich sehe die Welt und mein Leben jetzt mit anderen Augen.
Nach meiner Rückkehr Deutschland habe ich bei AFS geholfen und natürlich in meiner Stipendien-Organisation. Ich möchte meine Erfahrungen mit anderen teilen und andere auf ihr bestehendes Auslandsjahr vorbereiten. Einen kleinen Teil zurück geben von dem, was ich gekriegt habe.
Freunde auf der ganzen Welt
Mein Auslandsjahr habe ich sehr genossen. Umso mehr vermisse ich es jetzt, wo ich zurück in Deutschland bin. Ich habe viele AFS-Freunde, die auf der ganzen Welt leben. Zum Glück gibt es Handys, wo man im Kontakt bleiben kann. Die Erinnerungen, die ich erlebt habe, sind unbezahlbar und einzigartig. Wenn ich könnte, würde ich sofort wieder ein Auslandsjahr machen, weil es sich mehr als lohnt. Es ist eine Erfahrung, die man niemals vergisst in seinem Leben. Ich lege jedem ans Herz, eins zu machen, wenn man die Möglichkeit hat.
Ohne mein Stipendium hätte ich diese Erfahrungen nicht gemacht und deswegen bin ich unendlich dankbar. Ich habe noch mit vier Familien Kontakt seitdem ich zurückgekommen bin. Im Januar kommt mich mein Bruder in Köln besuchen. Voraussichtlich fliege ich nächstes Jahr wieder in die Dom Rep, das mein Land des Herzens ist.