Erfolgreicher Übergang im CHILDREN Vorstand
Vor 27 Jahren haben Gabriele Quandt und Dr. Florian Langenscheidt Children for a better World gegründet und mit viel Enthusiasmus und Engagement zu einer ganz besonderen Kinderhilfsorganisation entwickelt. Nun geht CHILDREN in die nächste Generation.
V.l.n.r.: Cornelius Nohl, Andreas Lukoschik, Katharina Le Thierry, Dr. Florian Langenscheidt, Ulrike de Vries, Gabriele Quandt, Alexandra Heraeus, Raphael Langenscheidt, Dr. Johannes Trißler, Jan Knauss
In der Mitgliederversammlung am 15. Juli 2021 sind Gabriele Quandt und Andreas Lukoschik aus dem Vorstand ausgetreten, damit die junge Generation das Ruder übernehmen kann. Dr. Johannes Trißler ist von den anwesenden Mitgliedern neu in den Vorstand gewählt worden. Zuvor wurde Raphael Langenscheidt zum neuen ersten Vorsitzenden und Alexandra Heraeus zur zweiten Vorsitzenden gewählt. Wir haben die Gründer*innen gefragt, warum sie weiterhin mit Herz und Hand der Nachfolgegeneration zur Seite stehen. Außerdem erzählen die jungen Nachfolger*innen, mit welchen Ideen sie CHILDREN voranbringen wollen.
Gabriele, Du hast den Vorstandsvorsitz von CHILDREN an Raphael übergeben. Wie hat das Ganze eigentlich angefangen?
Gabriele Quandt: Florian und ich waren damals fasziniert von unseren beiden Söhnen Raphael und Lenny. Besonders von ihrem sehr starken Gerechtigkeitsgefühl und wie sie sich dafür einsetzten, anderen Kindern zu helfen, wenn einer ihrer Freunde bei einer Aktion nicht mitmachen konnte. Dieses Staunen, was in den kleinen Menschen schon alles an klaren Wünschen steckt, kennen sicherlich viele Eltern. Wir stellten uns damals die Frage, was wir tun könnten, diese wunderbaren Eigenschaften zu bewahren und zu fördern, damit sie stärker werden und nicht in den Irrungen und Wirrungen des Älterwerdens verschüttgehen.
Zu diesem Zeitpunkt kam die Anfrage des Diners Club Magazins an Florian, ob er nicht einen Artikel schreiben wolle, wie ein Verein aussehen sollte, dem er beitreten würde. Was er dorthinein geschrieben hat, kann er viel besser erzählen als ich. Auf jeden Fall ging es um Kinder und die Resonanz auf den Artikel war großartig. Denn viele sagten in Leserbriefen „So einem Verein würden wir auch beitreten!“
In dieser Zeit fuhr Florian beruflich jede Woche mit der Bahn nach Mannheim, wo er im Zug Harriet Austen kennenlernte und fand, dass sie genau die Richtige sei, um einen solchen Verein ins Leben zu rufen und zu führen. Und so heuerte er sie an und das Ganze konnte beginnen. Ohne Harriet wäre CHILDREN also niemals entstanden. Als Nächstes sammelte Florian interessierte Gründer ein, von denen jeder einen bestimmten Betrag und ein Projekt mitbringen musste, das sie betreuen wollten. Das war ein kluger Schachzug von Florian, denn so begann gleich die konkrete Arbeit. Wenn wir uns erst alle hätten hinsetzen müssen, um ein Konzept zu verabschieden, säßen wir vielleicht heute noch da.
So begann alles – und Harriet musste die vielfältigen Initiativen managen. In alle Richtungen. Und das gelang ihr sehr, sehr gut. Danach übernahm Ulrike de Vries für zehn Jahre die Aufgabe der Geschäftsführerin und gab weiter Gas. Der Red Nose Day kam dabei zustande und – ganz wichtig – „Jugend hilft!“. Zuerst noch lokal und in Zusammenarbeit mit einem lokalen Radiosender. Doch wenig später ging´s bundesweit und Christina Rau wurde als erste Gattin eines Bundespräsidenten Gastgeberin der Preisträger*Innen von „Jugend hilft!“. Seitdem wurde diese Einladung auf Schloss Bellevue dankenswerterweise von all ihren Nachfolgerinnen übernommen. Bis zum heutigen Tag – worüber wir sehr glücklich sind.
Von Ulrike übernahm Felix Dresewski den Stab und fand, dass wir unser Profil schärfen und die vielen, vielen Projekte konzentrieren müssten. Daraus entstand der Bereich CHILDREN Entdecker, durch den wir 4.500 Kindern helfen, mehrmals wöchentlich eine warme Mahlzeit in der Gemeinschaft selbst zuzubereiten. Bis dahin hatten wir ja mehrheitlich Geld für Projekte anderer gesammelt. Durch Felix´ Fokus aufs Operative wurden die Projekte von nun an vom CHILDREN Team selbst gemanagt. Und Felix achtete zunehmend auf Wirkungsorientierung und Transparenz, wofür es 2012 den PwC-Transparenzpreis gab – und gemeinsam mit Helmut Schmidt den „Preis des Westfälischen Friedens“.
Ja, so haben wir uns entwickelt – von einer Idee zu einer Organisation, die heute von Cornelius Nohl geleitet wird. Er ist ein absoluter Glücksgriff, weil er nicht nur einer der ersten Preisträger bei „Jugend hilft!“ war, sondern weil er CHILDREN quasi in seiner DNA hat, weiter gestrafft hat und sich auf die Fahne geschrieben hat, den Generationswechsel im Vorstand nach außen zu flankieren und gemeinsam mit dem jungen Vorstand zeitgemäße, neue Wege zu gehen.
Und, wenn ich das so sagen darf, es freut mich besonders, dass Raphael nun den Vorstand von CHILDREN übernimmt, der ja damals einer der Anstoßgeber für alle unsere Überlegungen war.
Gabriele, Du ziehst Dich nach 27 Jahren auch aus dem Vorstand zurück. Warum?
Es ist nie gut, wenn die früheren Lenker ins zweite Glied zurücktreten und dort immer noch präsent sind. Da können sich die Neuen nicht wirklich entfalten. Der Rückzug der Gründergeneration ist deshalb auch kein Schnitt, sondern das Resultat einer gut geplanten Übergabe. Florian, Dieter Reithmeier, Andreas Lukoschik und ich haben CHILDREN damals gegründet, als wir ungefähr so alt waren wie Raphael heute. Aber wir sind inzwischen in der Großeltern-Generation angekommen – auch wenn wir uns natürlich „jung und dynamisch“ fühlen.
Unsere Freundschaft war die Basis für die großartige Zusammenarbeit. Wir haben uns auf die (damals) monatlichen Sitzungen gefreut, hatten neben ernsthaften Diskussionen auch viel Spaß miteinander und werden uns auch weiterhin treffen. CHILDREN bleibt in unseren Leben und unseren Herzen ein ganz wesentlicher Faktor und wir werden immer glücklich sein, wenn wir etwas für sie tun können. Sozusagen als lebhafte CHILDREN Alumni. Aber wir haben größtes Zutrauen in die Fähigkeiten und Kompetenzen dieses ideenreichen, kreativen, jungen Vorstands samt seines Geschäftsführers Cornelius. Wenn wir um Rat oder Unterstützung gefragt werden, sind wir natürlich da. Aber CHILDREN geht jetzt in eine neue Generation!
Raphael, jetzt bist Du also der neue Kapitän auf der Brücke von CHILDREN.
Raphael Langenscheidt: Stimmt. Aber nicht, weil das von mir schon immer erwartet wurde. Das Thema CHILDREN war bei uns immer mit Freiwilligkeit verbunden – nie mit einem Muss. Sonst hätte ich es auch nicht gemacht. Als ich mich mit dem Gedanken befasst habe, war mir wichtig, zuerst mit jedem Vorstandsmitglied zu sprechen, was seine, respektive ihre, Ideen sind und welche Ziele sie verfolgen wollen. Das waren sehr ehrliche Gespräche auf Augenhöhe, die gezeigt haben, wir ziehen alle am gleichen Strang und wollen die Aufgabe übernehmen, sowohl das Bestehende fortzuführen als auch Neues zu integrieren. Das heißt konkret: Die drei Säulen – CHILDREN Entdecker, Jugend hilft! und die Kinderbeiräte – werden weiterentwickelt. Außerdem diskutieren wir in der Arbeitsgruppe „Programmentwicklung“ sehr angeregt, was CHILDREN als vierte Säule aufbauen kann.
Dabei wollen wir unserer DNA treu bleiben. Also langfristig Kindern und Jugendlichen bei der Entwicklung ihres Potentials zur Seite stehen, indem wir sie in die Lage versetzen, ihre eigenen Erfahrungen zu machen. Analog dem Bereich CHILDREN Entdecker. Darin „versorgen“ wir Kinder und Jugendliche nicht nur mit einem regelmäßigen Mittagessen, sondern konzentrieren uns darauf, immer darüber hinaus zu gehen. Die Kinder erleben Dinge, bei denen sie herausgefordert werden, ihr eigenes Potential sehen und bekommen dann die nötige Unterstützung, um ihren Weg zu gehen. Und so wie wir das Thema „Kinderarmut“ mit Realismus, aber auch immer mit Blick auf Potentialentwicklung angehen, wollen wir die Programme weiterentwickeln und auch weitere Säulen aufbauen.
Herausforderungen gibt es viele – vom gesellschaftlichen Zusammenhalt über Demokratiebildung bis zum Klimawandel. CHILDREN lebt von seiner Fokussierung auf konkrete und nachvollziehbare Themenbereiche, daher ist es wichtig, jetzt die richtigen strategischen Schritte zu gehen. Klar ist aber, dass unfassbar großzügige Menschen den Zauber von CHILDREN ausmachen. Ohne sie – ob als Unternehmer, Spender oder Unterstützer, ob im Kuratorium, bei den Alumni oder im Vorstand selbst – ohne sie kann CHILDREN seine Magie nicht entfalten. Deshalb ein von Herzen kommendes „Danke!“ an alle für ihre jahrelange Unterstützung. Ich freue mich tierisch auf die nächsten 25 Jahre!
Alexandra, Du bist Raphaels Stellvertreterin, bist seit 2015 im Vorstand, wirst gerade zum zweiten Mal Mutter – und kennst CHILDREN seit Kindertagen.
Alexandra Heraeus: So ist es. Deswegen fühle ich mich auch mit CHILDREN sehr eng verbunden und finde darin ein Thema, das mich seit langem bewegt: Es ist das Zusammenarbeiten mit mehreren Generationen an einem gemeinsamen Ziel – ganz konkret: Kindern zu helfen, ihren Weg gehen zu können.
Dazu möchte ich helfen, das Bewährte und Gute der Geschichte von CHILDREN als Wurzel zu nutzen und das Feld, auf dem CHILDREN wächst, beständig neu zu ordnen. Damit meine ich, so „langweilige“ aber notwendige Themen wie Finanzen und Strukturen in Ordnung zu halten und dafür Cornelius ein guter Sparringspartner zu sein. Nur so können wir uns den Herausforderungen stellen und das, was CHILDREN in den vergangenen Jahren gesehen, ausprobiert, erlebt und aufgebaut hat, weitertragen und ausbauen. Das sehe ich als meine Aufgabe im Vorstand.
Johannes, Du bist ganz neu im Vorstand mit Familie in Mailand und unternehmerisch in Zürich zu Hause. In den letzten Jahren hast Du die verschiedenen Facetten von CHILDREN kennengelernt und bist in den Programmen, beim Fundraising und in der Organisationsentwicklung aktiv geworden. Warum hast Du Dich für CHILDREN entschieden? Man kann ja einen solchen Verein gut finden. Aber dann im Vorstand mitzuarbeiten, ist noch etwas ganz anderes.
Johannes Trißler: Stimmt. Aber ich habe mich schon als Schüler – da war ich 15 – mit Gründung des Vereins PERDOX e.V. zusammen mit dem Bayerischen Kultusministerium und dem Psychologischen Dienst für die Potentialentwicklung von Kindern und Jugendlichen eingesetzt. Das war die erste tolle Erfahrung, dass sich etwas bewegen lässt, wenn man es nur anpackt. Wenn Du so willst: Potentialentwicklung als selbst erfahrene Wirklichkeit.
Und so wundert es nicht, dass mich dieses Thema seitdem begleitet – im Ehemaligenverein der Bucerius Law School ebenso wie als Vorstandsmitglied der Stiftung der Deutschen Wirtschaft Alumni e.V.. Und weil man am meisten und leichtesten etwas in der Kindheit und Jugend für seine Potentialentwicklung tun kann, war nicht die Frage „Warum CHILDREN?“ der Auslöser, sondern die Erkenntnis „Unbedingt CHILDREN!“.
Wie Du schon richtig gesagt hast, bin ich der Neue im Vorstand und möchte deshalb zunächst vor allem zuhören und allen zur Seite stehen, um die richtigen Fragen für die Programmentwicklung bei CHILDREN zu stellen. Nämlich: Was sind die wesentlichen Themen für Kinder in unserer sich ständig verändernden Welt? Dabei ist es mir ganz persönlich ein Anliegen, in der nächsten Generation zu verankern, welchen Stellenwert Demokratie hat. Denn wir können uns nur entwickeln, wenn wir frei sind.
Andreas, wie findest Du es – nach nunmehr 27 Jahren im Vorstand – das Ruder an die Jungen abzugeben?
Andreas Lukoschik: Ich bin echt begeistert! Die Professionalität mit der alle Vorstandsmitglieder an diese wichtige und schöne Aufgabe gehen, beeindruckt mich tief. Seien es die Jungen, die gerade ihre Ideen skizziert haben, seien es jene, die schon lange im Vorstand sind wie Ulrike de Vries, die den Spirit von CHILDREN wie eine olympische Fackel weiterträgt. Sei es Katharina Le Thierry, die mit ihrer Wirtschaftskompetenz immer darauf achtet, dass unsere Strukturen klar, transparent und effektiv bleiben, oder sei es Jan Knauss, der mit seiner Werbeagentur ein genialer Kommunikator der CHILDREN Idee ist. Ganz zu schweigen von Cornelius Nohl, unserem Geschäftsführer, der geradezu ein Segen für CHILDREN ist.
Es ist wirklich, wirklich großartig, CHILDREN in so kompetente Hände legen zu können. Deshalb mit Raphaels Worten: Auf die nächsten 25 Jahre!
Florian, was sagst Du als die Urzelle von CHILDREN zur jetzigen Entwicklung?
Florian Langenscheidt: In jedem Kind steckt ein Stück Zukunft, Glaube, Hoffnung. Dieses Licht dürfen wir nicht zertreten oder verglimmen lassen, ehe es überhaupt anfängt zu leuchten. Wir wussten, dass keiner von uns die Welt retten kann, aber dass in jedem geretteten Kind ein Stück mehr Licht in die Welt kommt. Und dass, wenn viele so denken und handeln, die Welt zu einer besseren würde.
Deshalb gründeten Gabriele und ich CHILDREN mit dreißig anderen engagierten Persönlichkeiten. Auf dieser Basis entwickelte sich ein einzigartiges Netzwerk des Helfens. Wir achteten von Anfang an bei aller Freundschaft und bei allem Idealismus auf Professionalität, Transparenz und Effizienz. Und wir entwickelten neue Methoden, um Kinder stark zu machen, und sind dankbar für all die Preise, die wir dafür erhielten. „Mit Kindern. Für Kinder“ war immer das Motto. Rückblickend bin ich auf wenig in meinem beruflichen Leben so stolz wie auf die inzwischen große Gruppe von tollen engagierten Menschen, die zur CHILDREN Familie geworden sind.
Und wie empfindest Du, dass jetzt nach 27 Jahren Dein ältester Sohn den Vorstandsvorsitz übernimmt?
Es macht mich ein wenig demütig. In meinem Büro hängt ein großes Pop-Art-Bild mit einer großen Hand, um deren kleinen Finger sich eine Kinderhand legt. Darunter steht „FEEL TIME“. Diesen Kreislauf der Zeit empfinde ich sehr intensiv, wenn Gabriele und ich nach so vielen Jahren die Führung unseres großgewordenen Babys CHILDREN in die Hände von Raphael, einem beeindruckenden jungen Vorstand und Cornelius Nohl als jungen, aber inzwischen sehr erfahrenen und überaus engagierten Geschäftsführer legen können.
Wenn solch ein Übergang bei Familienunternehmen klappt, sind alle unfasslich dankbar. Denn die bisherigen Chefs und alle Stakeholder müssen den Nachfolgern vertrauen, und die Nachfolger müssen die Aufgabe lieben und sich befähigt dazu fühlen. Beides ist alles andere als selbstverständlich. Bei CHILDREN haben wir das Glück, dass all diese Voraussetzungen erfüllt sind. Eine Organisation, die sich der Förderung und Stärkung der nächsten Generation verschrieben hat, kann ihr eigenes Schicksal in die Hände der nächsten legen – und bleibt in gewisser Weise „in der Familie“. Schöner geht es kaum – und im dritten Sektor ist mir kein Beispiel dafür bekannt.
Ich bin mir sicher, dass die neue Führung bald die 50-Millionen-Euro-Marke an Spendeneinnahmen knacken wird, dass sie in allen Bereichen ganz neue und skalierbare Methoden entwickeln und nach dem Deutschen Stifterpreis und dem Westfälischen Friedenspreis noch ganz andere Auszeichnungen erringen wird. Toi, toi, toi dafür!